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Doppelbelichtung als kreatives Stilmittel: Wie Lichtspuren und Schärfe zusammenfinden

Fuji GFX100ii 80mm 1.7 bei 1/10 F7.1 ISO100 - Modell und Makeup: Louis

Doppelbelichtungen üben eine ganz eigene Faszination aus: ein Zusammenspiel aus gestochen scharfen Elementen und weichen, fließenden Bewegungen. Doch wie entsteht dieser Effekt eigentlich – und warum ist die Kombination aus Blitz und Dauerlicht dafür so entscheidend?

Zwei Arten von Unschärfe

Kleiner Exkurs vorab: Unschärfe kann im Bild aus zwei Gründen entstehen – entweder durch falsche Fokussierung oder durch Bewegungen innerhalb der Verschlusszeit. Um Letztere geht es hier. Sie bildet die Grundlage für kreative Verwischungen und Lichtspuren.

Was bei einer Doppelbelichtung passiert

Eine Doppelbelichtung besteht technisch aus zwei Belichtungsanteilen innerhalb derselben Verschlusszeit. Grundlage dafür sind eine längere Verschlusszeit und das Zusammenspiel von Dauerlicht und Blitz.

Der Schlüssel ist ein einfaches Prinzip:
Die Abbrennzeit des Blitzes wirkt wie eine eigene, ultrakurze Verschlusszeit innerhalb der Gesamtbelichtung.

In der Studiofotografie ist das der Grund, warum die „normale“ Verschlusszeit oft kaum Einfluss auf die Schärfe hat. Ist die Umgebung ohne Blitz dunkel, bestimmt der Blitz allein die Schärfe.

Beispiel

Stell dir vor, du fotografierst mit 1/10 Sekunde, f/8 und ISO 100 – und bekommst ohne Blitz ein komplett schwarzes Bild. Dann gilt: Alles Sichtbare entsteht durch zusätzliches Licht.

Zündet nun der Blitz, beleuchtet er das Motiv nur für einen minimalen Moment und friert es ein. In völliger Dunkelheit wäre das Motiv trotz langer Verschlusszeit gestochen scharf – weil während der restlichen Zeit kein Licht auf den Sensor fällt.

Der zweite Belichtungsteil: Das Dauerlicht

Nun ergänzt das Dauerlicht die Aufnahme. Der Blitz erzeugt den eingefrorenen Teil des Bildes – der Rest der Verschlusszeit wird genutzt um Spuren von Bewegung auf den Sensor aufzuzeichnen.

Ob das Dauerlicht auf das Motiv oder in den Hintergrund fällt, spielt zunächst keine Rolle. Wichtig ist: Es wirkt während der restlichen Verschlusszeit weiter.

Bewegt sich das Motiv – oder du die Kamera – entstehen die typischen Lichtspuren.
Der erste Teil bleibt scharf, der zweite wird zur kreativen Verwischung. Genau darin liegt der Reiz dieser Technik.

Eine weitere Möglichkeit, Unschärfe einzubauen, ist ein Zoom während der Belichtung – vorausgesetzt, ein Zoomobjektiv ist zur Hand.

Exkurs: Erster oder zweiter Vorhang?

Kamera oder Funkauslöser erlauben die Wahl, wann der Blitz zündet:

  • Erster Vorhang: Der Blitz feuert zu Beginn der Belichtung. Erst wird eingefroren, danach beginnt das Umgebungslicht zu wirken.

  • Zweiter Vorhang: Der Blitz feuert am Ende der Verschlusszeit. Erst zeichnet das Dauerlicht Spuren, anschließend wird das Motiv eingefroren.

Beides hat seine Berechtigung.
Beispiel: Rollt eine Kugel über den Tisch und du blitzt auf den ersten Vorhang, erscheinen die Lichtspuren vor der Kugel. Blitzt du auf den zweiten Vorhang, folgen die Lichtspuren der Bewegung – das wirkt natürlicher.

In meinem Beispiel habe ich bewusst auf den ersten Vorhang geblitzt, um die volle Kontrolle über den scharfen Bildanteil zu behalten.

Timing und Balance: Der Schlüssel zur Bildwirkung

Ab hier wird es praktisch – und spannend. Zwei Dinge bestimmen den Erfolg einer Doppelbelichtung:

1. Das Timing

Wie schnell und wohin du die Kamera bewegst (oder sich das Motiv bewegt), entscheidet, ob die scharfe Blitzbelichtung klar bleibt oder vom Dauerlicht überlagert wird.
Manchmal „übermalen“ die Umgebungslichter die erste Belichtung – das wirkt wie ein Fehler, führt aber oft zu überraschend stimmigen Effekten.

2. Die Balance

Die Verschlusszeit muss lang genug für Bewegungen sein, aber kurz genug, um Blitz und Dauerlicht im Verhältnis zu halten. Hier hilft: testen, anpassen, weiterprobieren.

Fazit: Doppelbelichtung ist ein Spiel mit Licht – und ein Lernprozess

Doppelbelichtungen entstehen aus Technik, Erfahrung und Experimentierfreude. Wer versteht, wie Blitz und Dauerlicht sich ergänzen, kann gezielt steuern, was scharf bleibt und wo Bewegung sichtbar wird. Und wie so oft in der Fotografie gilt: Nicht alles lässt sich planen – aber genau das macht den Zauber aus.

Was ich gemacht habe:

Für mein Porträt waren Lichtspuren im Hintergrund irrelevant. Daher habe ich das Gesicht mit farbigem Dauerlicht normal ausgeleuchtet und den Blitz von vorne ergänzt. So entsteht der Effekt, dass sich das Gesicht aus Schärfe und Unschärfe zusammensetzt. Besonders bei Make-up mit glitzernden Elementen funktioniert das wunderbar – das Licht bricht sich in der Bewegung und erzeugt einen sehr lebendigen Look.

Wenn ihr dazu ein Video sehen möchtet, schreibt mir gerne auf Instagram.

Viel Spaß beim Ausprobieren!

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